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Ich frage mich gerade, ob das eigentlich verwerflich ...

Ich frage mich gerade, ob das eigentlich verwerflich ist, wenn junge Menschen auf dem Holocaust-Denkmal herumturnen und Selfies machen.

Oder anders: Was ist daran verwerflich?

Ist das nicht die Idee von einem Denkmal, einen Platz zu schaffen, wo man nachdenken kann?

Ich weiß nicht, ob ihr mal mit einer Schulklasse zu einem KZ gefahren seid. Bei mir in Westberlin war das Teil des Kurrikulums. Wir sind nach Sachsenhausen gefahren mit der Klasse. Und ich erinnere mich noch ganz genau, dass auf dem Weg zum KZ einige Schüler halt überschwänglich herumgeturnt haben, mit ihrem Walkman oder einem Gameboy oder so gespielt haben vielleicht, sich laut mit ihren Kumpels unterhalten und gescherzt. Auch noch kurz vor dem Tor von dem KZ. Ein paar auch noch auf dem Gelände. Denn es dauert ein bisschen, bis die Enormität der Situation bei allen ankommt. Aber sie ist bei allen angekommen. Ich glaube heute, dass das auch ein Mechanismus ist, um mit so etwas überhaupt umgehen zu können, gerade als Kind oder Jugendlicher.

Eine der "Angeklagten" bei Yolocaust kam aus Südamerika, wenn ich das richtig gesehen habe. Der wird man also keinen Vorwurf machen können, am Holocaust beteiligt gewesen zu sein. Wertet das das Denkmal ab, wenn Unbeteiligte in seiner Nähe auf auf dem Gelände … halt leben? Heißt Denkmal, dass man da mit gekrümmter Körperhaltung still schluchzen muss? Ist das nicht im Gegenteil auch ein gutes Zeichen, wenn das Leben weitergeht, wenn aus etwas so Furchtbarem trotzdem etwas wie Lebensfreude entspringen kann?

Ich habe mir solche Gedanken mal auf einem Friedhof gemacht, wo man ja ähnlich argumentieren kann, dass das ein Ort für das stille Gedenken an die Verstorbenen ist. Aber was würdet ihr lieber haben wollen, wenn ihr mal tot seid, dass auf eurem Grab Kinder fröhlich tanzen, oder dass da schwarz gekleidete Leute miese Laune haben?

Ich weiß nicht, was die Antwort ist. Aber so einfach sollte man es sich glaube ich nicht machen.

Update: Einige Einsender schreiben mir, dass der Künstler hinter dem Holocaust-Denkmal sich auch mal zu der Frage geäußert hat, und er hat wohl ausdrücklich dazu aufgerufen, das Denkmal auch "profan" zu nutzen, nicht nur zum schlechte Laune haben. Ein Einsender formulierte sehr schön:

Das Denkmal in Berlin ist sehr auffällig, sehr groß und sehr zugänglich, nichtsdestotrotz ist es außerdem unfassbar schlicht. Die ersten Attribute sind offensichtliche Parallelen zum Gegenstand des Denkmals. Faszinierend finde ich allerdings den Effekt, den es in der Interaktion mit Menschen hat. Diese Schlichtheit und Zugänglichkeit sorgt dafür, dass in ebendieser Interaktion sehr viel mehr von den Menschen (und ihrer Auseinandersetzung mit dem Gegenstand) zu sehen ist als vom Denkmal selbst. In dieser Weise ist es ein riesiger Spiegel, der den Menschen vorgehalten wird. Und dieser Effekt kommt auf jedem Bild krass raus. Verstärkt noch dadurch, dass auf jedem Bild, aus jeder Perspektive trotz der Schlichtheit unmittelbar klar ist, dass es DIESES Denkmal ist. In der Hinsicht ist das ganz schön großartig!


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